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Alles andere als altbacken

Mit verschiedenen Angeboten können Vereine auf unterschiedliche Bedürfnisse und Vorerfahrungen von Älteren eingehen

Es gibt sie nicht, "die Alten". Das fängt schon bei der Bezeichnung an. Alt - wann ist man das denn? Wer möchte mit 60 schon als Seniorin bezeichnet werden, wenn die eigene Mutter noch regelmäßig zur Sportstunde geht? Wer braucht Stuhlgymnastik, wenn er mit 70 noch regelmäßig Rennrad fährt oder mit 80 noch das Sportabzeichen schafft? Aber auch: Wer will schon zugeben, dass das AH-Training im Fußball inzwischen nicht mehr machbar ist? Oder dass sie, die früher Judo gemacht hat, beim Treppensteigen ganz schön außer Puste kommt?

Wer als Verein Menschen ansprechen will, die auf das Rentenalter zugehen oder dieses bereits überschritten haben, sollte also aufpassen! "Die Ausweisung von Angeboten als "Seniorensport" ist sicherlich nicht die beste Idee!", sagt Gundi Friedrich, Geschäftsbereichsleiterin Sportentwicklung beim Landessportbund Hessen. Innerhalb der Altersgruppe gebe es riesige Unterschiede - in Bezug auf körperliche Fitness, persönliche Ansprüche, Lebensführung. Bei der Beschreibung von Angeboten, ergänzt Gesundheitssport-Referentin Evi Lindner, sollte es deshalb eher um die Inhalte, weniger um Alterskategorien gehen. Beispiel Beckenbodengymnastik: "Eine junge Mutter kann da in der gleichen Intensität trainieren wie eine 70-Jährige."

Unterschiedliche Ansprüche

Neben der Frage, wie stark sich jemand fordern lassen kann und will, gibt es bei der Entwicklung von Angeboten aber noch etwas anderes zu beachten: Es gibt Menschen, die schon immer eine Affinität zum Vereinssport hatten und solche, die nie oder nie organisationsbezogen Sport getrieben haben. Es gibt die Vielbeschäftigten, die flexibel bleiben möchten, und Personen, die feste Termine schätzen. Es gibt Wettkampftypen, die sich gerne messen, und Wohlfühlsportler/innen. Nicht jedes Angebot ist für jede/n von ihnen geeignet.

Eine tendenzielle Gemeinsamkeit könne man aber dennoch feststellen: "Bei den Älteren ist die Kombination aus Bewegung und Begegnung ein wichtiger Schlüssel", sagt Lindner. Dies bestätigen nicht nur zahlreiche Studien. Auch in dem von Lindner betreuten Arbeitskreis "Bewegt altern" des Landesprogramms "SPORTLAND HESSEN bewegt" sei diese Erkenntnis vielfach vorgebracht worden. "Das hat auch damit zu tun, dass mit zunehmendem Alter mehr Menschen allein leben. Für sie ist die Begegnung beim Sport ein Anker gegen die Einsamkeit." Der Verein könne "zur sozialen Heimat" werden. Verbunden mit dem Wissen, dass vor allem regelmäßige Bewegung wichtig ist, spielen Dauerangebote deshalb eine herausragende Rolle. Wir stellen nachfolgend aber auch andere Formate vor.

Mehr als nur Gymnastik

Na klar: Gymnastik für Frauen und/oder Männer ist aus vielen Vereinen nicht wegzudenken. Kraft, Koordination, Gleichgewicht, ein wenig Ausdauer: Inhaltlich sind diese Angebote oft bestens geeignet, um die Fitness zu erhalten. "Gerade Männer spricht die Bezeichnung Gymnastik häufig aber nicht an", weiß Lindner. In jüngeren Jahren hätten sie häufig Spielsportarten betrieben. "Mit Gymnastik verbinden sie ein bisschen Dehnen auf der Matte", ergänzt ihr Kollege Marco Mattes. Sie erreiche man eher mit Angeboten, die ganz ausdrücklich auf Kraftaufbau zielen. Auch das Training mit Bällen komme häufig gut an. Statt Fußbällen dürfen es dann auch Pezzi-, Redondo- oder Medizinbälle sein.

Darüber hinaus kann - je nach Ursprungssportart - über angepasste Formen nachgedacht werden. Der Hessische Fußball-Verband ist dabei, Geh-Fußball zu etablieren. Die Schützen bieten "Schießen im Sitzen" an. Beim Tischtennis können vermehrt Doppel gespielt werden., Judo wird ohne Werfen, dafür mit mehr Bodenarbeit und Kata-Übungsformen durchgeführt. Und natürlich gibt es statt "Gymnastik" auch spezifischere Angebote, die häufig mit moderneren Namen daherkommen. Pilates oder Yoga sind quasi alterslos einsetzbar, Brain & Move kombiniert Training für Körper und Geist. Und zum Rollatroentanz findet sich ganz automatisch die richtige Zielgruppe!

Viele Ausdauer-Sportarten sind ebenfalls geeignet, um ältere Personen anzusprechen: ob Schwimmen, Wandern, Walking oder Radfahren. "Personen, die bisher wenig Zugang zum Vereinssport hatten, erreicht man auch, wenn man Bewegung mit einem ihrer Interessen kombiniert", erläutert Lindner.: ein monatlicher Wandertreff "Wandern trifft Natur" in Zusammenarbeit mit dem Naturschutzverein, ein Stadtspaziergang mit kleinen Fitnesseinheiten, bewegtes Gedächtnistraining.

"SPORT PRO GESUNDHEIT"-Angebote

Vereine, die bei den Regelangeboten ganz gut aufgestellt sind, bieten häufig auch Kurse an, die mit dem Siegel "SPORT PRO GESUNDHEIT" ausgezeichnet sind - oder sollten dringend darüber nachdenken. Übungsleitende brauchen dafür mindestens eine B-Lizenz Prävention sowie die Profilausbildungen Haltung und Bewegung, Herz-Kreislauf-System, Fit und mobil im Alter (Sturzprävention) oder Stressbewältigung und Entspannung. Teilnehmende der Präventionssportangebote können sich einen Großteil der Kursgebühren von ihrer Krankenkasse erstatten lassen. "Für Vereine lohnt es sich, hier aktiv zu werden, um neue Mitglieder zu gewinnen", sagt Gundi Friedrich. Ihr Team informiert und berät gerne ausführlich.

Aktionstage

Aktionstage zu unterschiedlichen Schwerpunkten sind eine tolle Möglichkeit, auf den eigenen Verein aufmerksam zu machen. Warum also nicht mal einen Tag unter dem Motto "Fitness kennt kein Alter"? Neben Schnuppereinheiten, die Einblick in die unterschiedlichen Dauerangebote eines Vereinsgeben, kann auch der Alltags-Fitness-Test (AFT) integriert werden. Mit einer entsprechenden Qualifikation können Vereine im Anschluss ein AFT-PraxisProgramm anbieten. "Darüber hinaus lohnt es sich, für solche Aktionstage lokale Partner mit ins Boot zu holen", sagt Lindner. Etwa den Arzt, der einen Vortrag zum Nutzen von Bewegung hält, oder die Ernährungsberater hinaus dem Nachbarort, die skizziert, wie sich der Nährstoffbedarf im Alter verändert.

Generationsübergreifende Angebote

Gemeinsam macht Bewegung am meisten Spaß! Dabei dürfen die Protagonisten ruhig unterschiedlichsten Alters sein. Eine Generation kann die andere mitziehen. "Es gibt tolle Bewegungsformen, die Kindern und Älteren gleichermaßen Spaß machen", sagt Marco Mattes. Das kann wohl jede/r Übungsleitende unterschreiben, der mit seiner Erwachsenen-Gruppe schon mal spielerisch die Bewegung gefördert hat. Luftballon-Tennis mit der Pool-Nudel? Das bringt die Damen um die 70 nicht nur ins Schwitzen, sondern auch zum Lachen!

Umso schöner, wenn etwa Großeltern und Kinder gemeinsam Sport treiben. Die Bandbreite ist groß - vom Tischtennis-Turnier, bei dem zwei Generationen im Doppel antreten über eine Familienwanderung mit Bewegungsstationen bis hin zu kleinen Spielen, die bei Aktionstagen eingesetzt werden können. "Drei Gewinnt" funktioniert auch mit menschlichen "Steinen", für "Mensch ärger dich nicht" gibt es eine individuell anpassbare Bewegungs-Fassung und bei Koordinationsübungen mit lautem Zählen und Rechnen müssen nicht nur Kinder ihren Kopf so richtig anstrengen. 

Deutsches Sportabzeichen

In jedem Alter ist auch das Deutsche Sportabzeichen möglich! Allein bei den über 85-jährigen haben es 2022 fast 90 Hessinnen und Hessen erfolgreich absolviert. "Dabei fällt auf, dass es in allen Altersklassen über 60, anders als im mittleren Segment, eher Männer sind. Für sie ist es offenbar wichtig, unter Beweis zu stellen, wie fit sie noch sind", sagt Christina Haack, zuständige Referentin beim lsb h. Für spätberufene sportliche Neueinsteiger sei das Sportabzeichen nicht unbedingt geeignet. "Menschen, die schon immer aktiv waren, kann es aber ein Leben lang begleiten. Mit den Disziplinengruppen Kraft, Ausdauer, Koordination und Schnelligkeit bietet es einen richtigen Rundumschlag!"

Wichtig sei, sagt Haack in Richtung Vereine, das Sportabzeichen nicht als einmalige Abnahme zu verstehen, sondern ein Training anzubieten - und aufzuklären. "Wenn die Prüfenden merken, dass jemand beim Laufen Gelenkprobleme hat, sollten sie auf schonendere Sportarten wie Schwimmen oder Radfahren hinweisen." Noch nicht so bekannt ist außerdem, dass Menschen mit Asthma oder künstlichem Gelenk das Sportabzeichen für Menschen mit Behinderung absolvieren können. Endoprothesenpass oder ein nachgewiesener Behinderungsgrad von 20 Prozent reichen aus, damit die Anforderungen sich ändern. "Gold, Silber, Bronze und die gleiche Urkunde wie sonst gibt es trotzdem. Das kann auch Menschen bei der Stange halten, die plötzlich eingeschränkt sind" erläutert Haack.

Kooperationen

Sportvereine sind wichtige Sozialpartner. Das gilt nicht nur im Nachwuchsbereich, wo Kooperationen mit Kitas und Schulen längst etabliert sind. Auch eine Zusammenarbeit mit Seniorenbegegnungsstätten, Kirchgemeinden, Familienzentren oder Pflegeheimen ist denkbar. Darüber können auch Personen erreicht werden, die nie oder schon lange nicht mehr Sport getrieben haben.

Die Form der Zusammenarbeit kann dabei variieren: Bietet der Verein eine Art Kurs mit entsprechender Gebühr an? Werden die teilnehmenden Bewohner des Pflegeheims Mitglieder? Oder setzt man auf punktuelle Veranstaltungen? Organisiert der Verein beispielsweise drei bewegte Aktionen (Wanderungen, Bewegungstage, Schnupperstunden) für die Katholische Frauengemeinschaft und die Frauen backen dafür Kuchen für drei Vereinsfeste? "Hier dürfen Vereine ruhig kreativ werden", sagt Lindner.

Beitrag von Isabell Boger in Sport in Hessen, Ausgabe 06, vom 25.03.2023 

  

Kontakt

Sportkreis Wiesbaden e.V.
Hagenauer Str. 47
65203 Wiesbaden

 

Tel: (0611) 74944