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Unterm Regenbogen

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Queere Menschen im Sport: Warum sich eine Auseinandersetzung mit dem Thema lohnt und warum Sensibilität der Schlüssel zum Erfolg ist

Diversität, geschlechtliche Vielfalt im Sport, gendergerechte Sprache: Nicht wenige Vereinsverantwortliche stöhnen erst einmal auf, wenn sie solche Begriffe hören. "Müssen wir uns damit jetzt auch noch befassen?" "Haben wir nicht drängendere Probleme?" "Da steig ich echt nicht mehr durch." Reaktionen wie diese sind keine Seltenheit. Und ja: Wer nicht im Thema ist, der fühlt sich schnell überfordert, wenn von cis Menschen , trans Personen oder queeren Vereinsangeboten die Rede ist. Also einfach die Finger davon lassen?

Das wäre nur vermeintlich die einfachste Lösung. Noch dazu eine, die den wichtigsten Werten des Sports konträr gegenübersteht. Fairplay, Toleranz, Teamgeist: Das alles ist undenkbar ohne den Grundsatz, dass der Sport offen für alle ist, dass hier Menschen zusammenfinden, an Siegen und Niederlagen wachsen, ganz unabhängig davon, wo sie herkommen, woran sie glauben, ob sie gebildet sind - oder eben: welches Geschlecht sie haben und wen sie lieben. In der Ausgabe 10 der Sport in Hessen geht es deshalb um die Frage, wie mehr Vielfalt im Sport erreicht werden kann. Dabei widmen wir uns diesmal ganz speziell einer Dimension des Diversitätsrades: der geschlechtlichen Vielfalt und sexuellen Orientierung. 

Nicht mit dem dicksten Brett beginnen

Eine, die sich damit schon ausführlich beschäftigt hat, ist Julia Eppler vom Referat "Vielfalt im Sport" der Sportjugend Hessen. Prinzipiell, sagt sie, würden sich die meisten Sportvereine als offen betrachten. „Es gibt wohl fast niemanden, der zum Beispiel sagt: Nee, Lesben wollen wir bei uns nicht haben!“ Trotzdem gebe es Gründe, warum queere Personen sich häufig nicht willkommen fühlen. Da ist die Tatsache, dass es im Profifußball noch immer keinen aktiven Spieler gibt, der sich als homosexuell geoutet hat. Da ist der schlecht gespielte Pass, der gerne mal als „schwul“ bezeichnet wird. Da sind, bei der Frage nach dem Geschlecht, fehlende Auswahlkästchen für diverse Menschen, die sich im Sportverein anmelden wollen. Und da ist der Fakt, dass Gespräche zum Thema häufig mit dem dicksten Brett begonnen und nicht selten auch gleich wieder beendet werden! „Das ist doch unfair, wenn Frauen plötzlich gegen jemanden antreten müssen, der früher ein Mann war. Im Sport ist das halt schwierig“, lautet die Aussage häufig.

Epplers Kollegin Annamaria Peter muss sich immer ein wenig zum Ruhigbleiben zwingen, wenn sie sowas hört. Natürlich, sagt sie, ist es keine einfache Frage, wie man im leistungsbezogenen Sport mit transgeschlechtlichen (das bei Geburt zugewiesene und das tatsächliche Geschlecht stimmen nicht überein) oder intergeschlechtlichen Personen (das körperliche Geschlecht passt nicht oder nicht eindeutig in die medizinische Norm männlich oder weiblich) umgeht. Erst einmal aber, sagt sie, sei es falsch davon zu sprechen, jemand sei früher ein Mann gewesen. „Die Person hat sich nie als Mann gefühlt.

Man spricht deshalb davon, dass ihr bei Geburt das männliche Geschlecht zugeschrieben wurde.“ Zum anderen werde die Frage häufig nur in die eine Richtung problematisiert. Oder wer spricht über sportliche Nachteile von Männern, die früher als Frau gelebt haben? Annamaria Peter kann auch von Testosteronblockern berichten, die hormonellen Gleichstand herstellen, oder darüber aufklären, dass das Geschlecht nur eine Kategorie von vielen ist. „Niederländische Frauen sind im Durchschnitt z. B. deutlich größer als chinesische Frauen. Sollten sie jetzt im Basketball nicht mehr gegeneinander antreten? Oder im Gerätturnen?“ Was sie meint, ist: Menschen sind auf vielfältige Weise unterschiedlich. Vielleicht also ist das Geschlecht nicht das einzige, an dem wir uns aufhängen sollten. Vor allem eben im Breitensport. Gemeinsam Yoga oder Qigong machen, Körbe oder Darts werfen, rudern oder reiten, dem Fußball hinterherjagen oder Boule-Kugeln werfen, Radfahren oder Bogenschießen: Gerade dann, wenn der Spaß an der gemeinsamen Bewegung im Mittelpunkt steht, verliert die geschlechtliche Identität an Bedeutung. Und die sexuelle Orientierung spielt schon gar keine Rolle.

Ängste und gute Erfahrungen

Warum aber tun sich viele Vereine so schwer mit dem Thema? „Ich glaube, dass viel Unsicherheit mit im Spiel ist. Auch Angst, etwas Falsches zu sagen. Dabei wollen doch auch queere Menschen in erster Linie einfach nur Sport machen“, sagt Eppler. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen arbeitet sie daran, vom „Problemdenken“ wegzukommen und Ängste abzubauen. Dafür lohnt sich ein Blick auf andere Dimensionen der Diversität und die Fortschritte, die in diesen Bereichen schon erzielt wurden. Noch vor gut 100 Jahren wurde über Sport treibende Frauen die Nase gerümpft. Und auch als es darum ging, die ersten Gastarbeiter*innen in den Vereinssport zu integrieren, gab es Vorurteile und Ängste. Heute sind Frauen genauso wenig aus dem Vereinssport wegzudenken wie Menschen mit Migrationsgeschichte. „Auch beim Thema geschlechtliche Vielfalt und sexuelle Orientierung muss keiner Angst haben, dass sein Verein nun völlig umgekrempelt wird“, sagt Annamaria Peter. „Es geht schlicht und einfach um Respekt vor und Wertschätzung für Menschen, die anders leben und lieben als die vermeintliche Norm.“ Was das bedeutet und wie Vereine sich öffnen können, lässt sich im Beitrag "Von kleinen Gesten und großen Fragen" nachlesen. Ganz prinzipiell, sagen die beiden Referentinnen, helfe es, interessiert und bereit zum Dazulernen zu sein. Wer sich für das Thema einsetzt, dem wird niemand böse sein, selbst wenn er mal nicht ganz den passenden Begriff wählt. Wichtig sei auch sich klarzumachen, dass es durchaus Gruppen gibt, die es schwerer haben. Treffen mehrere Diversitätsmerkmale zu, die als ungewöhnlich wahrgenommen werden, potenziert sich das sogar. Das Fachwort dafür heißt Intersektionalität. Der homosexuelle Migrant etwa stößt auf besonders viele, teils ganz spezielle Herausforderungen und Probleme.

Wirklich verwunderlich ist es deshalb wohl nicht, dass es immer wieder Vereine gibt, die sich an ganz spezifische Gruppen wenden: Türkische oder griechische Fußballvereine, Frauensportvereine wie Artemis Sport Frankfurt oder der Frankfurter Volleyball Verein, 1985 als schwul-lesbischer Sportverein gegründet. Häufig wird von der „Mehrheitsgesellschaft“ gefragt, ob es solche Vereine wirklich brauche oder ob die Integration der entsprechenden Gruppen dadurch verhindert werde. Peter sagt ganz klar: „Queere oder queerenfreundliche Vereine sind entstanden, weil queere Menschen lange Zeit großen Anfeindungen ausgesetzt waren und es immer noch sind. Diese Vereine sind eine Art Schutzraum.“ Dass viele dieser Vereine ihrerseits offen sind für heterosexuelle cis Menschen sei deswegen kein Gegensatz.

Kein neuer Trend

Steht es also schlecht um diese Form der Diversität im hessischen Sport? Man könnte sagen: Es ist auf jeden Fall noch Luft nach oben! Je nach Sportart haben es schwule Männer immer noch schwer („Belästigt der uns unter der Dusche?“), die Diskussionen um die Teilnahme von trans Personen am Wettkampfsport wird zum Teil durchaus mit Argumenten geführt, die verletzend sind. „Das große Interesse an unseren Fortbildungen zum Thema zeigt aber auch, dass es viele Menschen gibt, die solche Fragen umtreiben“, sagt Eppler. Auch gibt es mehr und mehr Regelvereine, die queeren Personen einen Einstieg erleichtern. „In der Tendenz sind da Trendsportarten wie Roller Derby, Frisbee oder Quidditch aber offener als andere.“ Dass das Thema gerade „laut und politisch“ (Peter) diskutiert werde, biete zudem die Chance, es von Vorurteilen zu befreien. Etwa dem, dass es quasi nur junge Menschen betreffe. Oder dem, dass es gerade eben ein Trend sei, sich als queer zu outen. „Ich vergleiche es gerne mit Linkshändern. Da ist die Quote irgendwann auch rapide gestiegen. Aber nicht, weil plötzlich mehr Menschen Linkshänder waren, sondern weil es akzeptiert wurde, so zu sein und das auch offen zu kommunizieren“, so Eppler. Ähnlich sei es mit queeren Personen. Auch ihre Zahl wird mit abnehmender Diskriminierung ansteigen und sich dann auf einem gewissen Niveau einpendeln.

Held*innen gesucht

Dass Diskriminierung abgebaut wird, dazu können die hessischen Vereine beitragen. Mit angepassten, offenen Strukturen, vor allem aber mit einem besonnenen Handeln ihrer Verantwortlichen und Mitglieder. „Wer bei doofen Witzen über homosexuelle oder transgeschlechtliche Personen einfach mal Stellung bezieht und sagt: Das ist nicht witzig – der kann für Betroffene ein echter Held sein. Und solche Heldinnen und Helden brauchen wir viele“, sagt Annamaria Peter. Dann sei die Diversität im Sport auf einem guten Weg.

Artikel von Isabell Boger in Sport in Hessen, Ausgabe 10, vom 20.05.2023

Kontakt

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